Insgesamt wurden 2021 mehr Versuchstiere als im Vorjahr eingesetzt. Der Anteil schwer belastender Tierversuche hat deutlich zugenommen.
- Im Jahr 2021 wurden gesamthaft 574’673 Versuchstiere eingesetzt (Vorjahr: 556’107 Tiere). Dies entspricht einer Zunahme von 3.3 %.
- Die Anzahl Versuchstiere, die schwer belastendenden Tierversuchen (Schweregrad 3) zugeordnet wurden, hat mit 25’752 eingesetzten Tieren zugenommen (Vorjahr: 19’712). Dies entspricht einer Zunahme von 30.6 %.
- Rund 70 % der Versuchstiere werden für die Erforschung von Krankheiten beim Menschen eingesetzt.
- Die Forschungsaktivität im Tierversuchsbereich ist weiterhin hoch.
2021 wurden insgesamt mehr Versuchstiere eingesetzt
In den vorangegangenen 5 Jahren war die Gesamtzahl der Versuchstiere stetig und gleichmässig gesunken. Im Jahr 2021 erreichte der Einsatz von Versuchstieren einen mit den Jahren 2019 (572’069 Tiere) oder 2001 (575’492 Tiere) vergleichbaren Wert.
Im Jahr 2021 wurden im Vergleich zum Vorjahr insbesondere rund 20’000 Mäuse mehr in der Grundlagenforschung und 20’000 Amphibien weniger in einem Versuch im Bereich des Naturschutzes eingesetzt.
332’428 Versuchstiere (gleich wie 2020) wurden in Tierversuchen an Hochschulen und Spitälern einge-setzt. Die Industrie verwendete 88’100 Versuchstiere (gleich wie 2020). Eine Zunahme verzeichneten private Forschungsinstitute und «andere» Institute (rund +18’000 Versuchstiere).
Die Anzahl der für Versuche verwendeten Tiere kann je nach Tierart oder Forschungsziel von Jahr zu Jahr stark variieren. Insbesondere können einzelne Versuche die Jahresstatistik stark beeinflussen. Erst eine Betrachtung über mehrere Jahre lässt eine Aussage über die Entwicklung der Anzahl einge-setzter Versuchstiere zu.
Konstant hohe Forschungsaktivität im Tierversuchsbereich
Die Anzahl durchgeführte Projekte bewegt sich damit im Bereich der Werte der letzten zehn Jahre, was von einer konstant hohen Forschungsaktivität im Tierversuchsbereich zeugt. Diese erhöhte Aktivität im Jahre 2021 trug zu den gestiegenen Tierversuchszahlen bei. Zudem könnte es sein, dass Tierversuche im ersten Pandemiejahr 2020 aufgeschoben und erst im Jahr 2021 durchgeführt wurden. So wurden im Jahr 2020 deutlich weniger Mäuse eingesetzt und im Jahr 2021 erfolgte wiederum ein Anstieg um rund 20'000 Versuchstiere.
Neu bewilligt wurden im Jahr 2021 617 Bewilligungen (ohne Fortsetzungsbewilligungen). Dies entspricht einer Abnahme um rund 60 neuer Bewilligungen gegenüber dem Vorjahr. Im Schweregrad 3 wurden hingegen 35 Bewilligungen mehr ausgestellt als im Vorjahr.
Es wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, ob die Abnahme total neu erteilter Bewilligungen, respektive die Zunahme der Bewilligungen im Schweregrad 3 der Start einer neuen Entwicklung oder eine Besonderheit des Jahres 2021 ist.
Starke Zunahme von belastenden Tierversuchen
Tierversuche werden in vier Belastungskategorien eingeordnet, in die sogenannten Schweregrade 0 bis 3. Versuche im Schweregrad 0 werden als nicht belastend beurteilt. Der Schweregrad 1 entspricht einer leichten, der Schweregrad 2 einer mittleren und der Schweregrad 3 einer schweren Belastung. Für die Einordnung der durch die Versuche entstehenden Belastungen in die Schweregrade steht eine Fachinformation des BLV zur Verfügung (Fachinformation Tierversuche Schweregrade 1.04).
Die Fachinformation Schweregrade ist im August 2018 überarbeitet worden. Die Revision hat zur Folge, dass tierexperimentelle Manipulationen seit 2018 tendenziell einem höheren Schweregrad zugeteilt werden. Für die Jahresstatistik melden Forschende für jedes eingesetzte Tier den im Versuch maximal erfahrenen Schweregrad.
Schweregrad |
Anzahl eingesetzte Versuchstiere 2021 |
Veränderung gegenüber Vorjahr |
0 |
214’039 |
-21’241 (-9%) |
1 |
175’232 |
19’668 (+13%) |
2 |
159’650 |
14’099 (+10%) |
3 |
25’752 |
6’040 (+31%) |
Diese Zunahmen in den belastenden Schweregraden könnte eine Folge davon sein, dass im Jahr 2021 insgesamt mehr Tierversuchsbewilligungen aktiv genutzt wurden. Es kann zudem davon ausgegangen werden, dass Versuche, die während des Pandemiejahres 2020 nicht durchgeführt werden konnten, im 2021 erst gestartet oder weitergeführt wurden und so zu einem Anstieg der Tierversuchszahlen im 2021 beigetragen haben.
Im Jahr 2021 war eine starke Zunahme an Tierversuchen mit mittlerer (Schweregrad 2) und insbesondere schwerer Belastung (Schweregrad 3) zu verzeichnen. Seit 2012 ist die Summe der Tiere im Schweregrad 2 und 3 kontinuierlich angestiegen.
Die Anzahl Versuchstiere, welche einer mittleren Belastung (Schweregrad 2) ausgesetzt waren, hat mit 159’650 Tieren im Vergleich zum Vorjahr zugenommen (Vorjahr: 145’551 Tiere). Dieser Wert ist vergleichbar mit der Anzahl Versuchstiere im Schweregrad 2 im Jahr 2019 (158’124 Tiere) und war in den letzten 20 Jahren nie so hoch.
2021 wurden im Schweregrad 3 25’752 Tiere in Versuchen eingesetzt. Dies entspricht einem Anstieg um 6’040 Versuchstieren gegenüber dem Vorjahr. Dies bedeutet den höchsten Wert seit 1999 (31'650 Tiere). Die steigende Tendenz im Schweregrad 3 ist seit 2013 zu beobachten (+124 %).
Der seit 2013 zu beobachtende Anstieg schwerbelastender Tierversuche wird ab Ende August 2018 aufgrund der Überarbeitung der Fachinformation 1.04 «Schweregrade» des BLV verstärkt: Die Revision der Fachinformation hat zur Folge, dass tierexperimentelle Manipulationen seit 2018 tendenziell einem höheren Schweregrad zugeteilt werden. So wurde z. B. für den Gewichtsverlust während eines Versuchs neu eine Grenze von 15 % definiert, ab welcher ein Versuch als schwer belastend (Schweregrad 3) gilt. Zuvor wurde in der Regel eine Grenze bei 20 % angewendet. In der Folge solcher Anpassungen wurden ab 2019 mehr Tierversuche in der Tierversuchsstatistik im Schweregrad 3 aufgeführt, als dies in den Vorjahren der Fall gewesen ist. Die Anzahl Versuchstiere, welche gestützt auf Bewilligungen ab Ende August 2018 eingesetzt worden sind, ist zudem in der Zwischenzeit insgesamt stark angewachsen und beeinflusst zusätzlich den Anstieg der Zahlen in den Schweregraden 2 und 3. Wie gross der Einfluss der Fachinformation quantitativ ist, lässt sich nicht feststellen.
Der Anstieg von Versuchen im Schweregrad 3 ist also auf 2 Entwicklungen zurückzuführen: seit 2013 ist ein Trend zu mehr Tierversuchen im Schweregrad 3 zu beobachten und seit 2018/2019 werden Versuche mit hoher Belastung vermehrt im Schweregrad 3 eingestuft.
Tierversuche im Schweregrad 3 wurden zu rund 93% zur Erforschung von Krankheiten beim Menschen durchgeführt. Rund die Hälfte dieser Versuchstiere (13'207 Tiere) wurden zur Erforschung von Krebs und neurologischen Krankheiten eingesetzt. Für die Krebsforschung wurden 4’593 Versuchstiere (+1’455) und für die Erforschung neurologischer Erkrankungen 8'614 Versuchstiere (+1’596) eingesetzt. Somit trägt im 2021 die Erforschung von Krebs und von neurologischen Erkrankungen rund zur Hälfte des Anstiegs im Schweregrad 3 bei. Rund 89% der eingesetzten Tiere im Schweregrad 3 waren Mäuse.
Krankheiten beim Menschen: Starke Zunahme der Tierversuche in der Krebsforschung
Das sind gesamthaft rund 400’000 Versuchstiere (+19’100). Ein Anstieg, welcher vor allem auf die Krebsforschung (+15’500 Tiere) zurückzuführen ist.
In der Krebsforschung wurden 119’581 Tiere und in der Erforschung von neurologischen Krankheiten 71’108 Tiere eingesetzt. Das bedeutet, dass fast jeder dritte Tierversuch in der Krebsforschung oder der Erforschung neurologischer Krankheiten durchgeführt wurde.
Mehr gentechnisch veränderte Versuchstiere eingesetzt
Dies sind rund 23’000 mehr als im Vorjahr, wovon rund 3’000 Tiere im SG3 registriert worden sind. Rund 91 % der in Tierversuchen eingesetzten GVT waren Mäuse. 45 % der GVT wurden 2021 bei der Forschung von Krebs und neurologischen Krankheiten eingesetzt.
GVT wurden seit 2012 vermehrt in Tierversuchen der Schweregrade 2 und 3 verwendet. So hat sich die Anzahl eingesetzter GVT in Tierversuchen im Schweregrad 2 und 3 zwischen 2012 und 2021 von rund 34’000 auf über 76’000 Tiere mehr als verdoppelt. Der Anteil GVT in Schweregrad 2 und 3 Versuchen liegt bei rund 41 %. Da der Anteil GVT über alle Schweregrade hinweg rund 30 % beträgt, ist der Anteil GVT in mittel- bis schwerbelastenden Tierversuchen deutlich höher.
Am meisten Versuchstiere in der Grundlagenforschung eingesetzt
Das sind rund 23’000 Tiere mehr als im Vorjahr. Folglich wurden mit 60 % die meisten Tiere in der Grundlagenforschung eingesetzt.
Ein grosser Zuwachs von mehr als 13’000 Tieren verzeichnete auch die Versuchskategorie «Schutz von Mensch, Tier und Umwelt». In dieser Kategorie werden Versuche durchgeführt, welche für die Zulassung von Stoffen erforderlich sind.
Anteil der in Tierversuchen eingesetzten Tiere pro Versuchsziel:
– 59.7 % Grundlagenforschung
- wissenschaftliche Annahmen prüfen
- Zellen, Organe oder Körperflüssigkeiten gewinnen oder prüfen
- artfremde Organismen erhalten oder vermehren
– 18.6 % Entdeckung, Entwicklung und Qualitätskontrolle
- Entwicklung und Erprobung neuer Therapiemöglichkeiten
- Einen Wirkstoff (Arzneimittel, Impfstoffe, Chemikalien) prüfen
– 1.5 % Krankheitsdiagnostik
- Erstellen von Referenzwerten für Labordiagnostik
– 2.0 % Bildung und Ausbildung
- Lehre sowie Aus- und Weiterbildung
– 4.6 % Schutz von Mensch, Tier und Umwelt
- Toxikologische Tests
- Unbedenklichkeitsprüfungen
– 13.6 % Anderer Zusammenhang
- Jene Untersuchungen, die keiner der obigen fünf Hauptkategorien zugeordnet werden können, wie beispielsweise angewandte Forschung ausserhalb der Medikamentenentwicklung (Fütterungsversuche oder Untersuchungen bezüglich Naturschutz), sowie solche zur Kontrolle des Hygienestandards in Versuchstierzuchten und –haltungen.
Mäuse werden am häufigsten in Tierversuchen eingesetzt
Dennoch ist dies der zweittiefste Wert seit 2003 (367’078 Mäuse). Im Pandemiejahr 2020 wurden jedoch noch weniger Mäuse eingesetzt. Mäuse wurden am häufigsten in Tierversuchen verwendet (64 %). Es folgen Vögel (inkl. Geflügel; 13 %), Ratten (9 %) und Fische (6 %).
Die Anzahl Primaten in Tierversuchen ist 2021 mit 245 (+55) Tieren gestiegen. Über 90 % der Einsätze wurden dem Schweregrad 0 zugeordnet. Es wurden keine Primaten im Schweregrad 3 eingesetzt.
Versuchstierhaltungen: Keine Veränderung bei gezüchteten und eingeführten Versuchstieren
Dies sind ungefähr gleich viele Tiere wie im Vorjahr, die in Schweizer Versuchstierhaltungen geboren (1.06 Mio. Tiere) und importiert (rund 230'000 Tiere) wurden. Rund 82 % der Tiere sind Mäuse, gefolgt von Fischen (12 %).
Bei den Mäusen wurden rund 42’000 Tiere mehr in Versuchstierhaltungen geboren, beziehungsweise importiert, davon waren rund 37'000 gentechnisch veränderte Mäuse. Gesamthaft wurden rund 814’000 gentechnisch veränderte Mäuse in Versuchstierhaltungen geboren oder importiert.
Da in Tierversuchen rund 575'000 Tiere eingesetzt wurden, ist festzustellen, dass insbesondere viele in Versuchstierhaltungen geborene Tiere nicht in Tierversuchen eingesetzt wurden. Diese Tiere wurden entweder für die Zucht weiterverwendet oder zum allergrössten Teil euthanasiert. In bestimmten Fällen wurden Tiere in eine private Tierhaltung vermittelt. Die genaue Anzahl der gezüchteten Tiere, die nicht in Tierversuchen verwendet wurden, lässt sich aus den Meldepflichten der Versuchstierhaltungen nicht ermitteln.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen veröffentlicht als zuständige Bundesbehörde nach Artikel 36 des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 (SR 455; TSchG) die Jahresstatistik über Tierversuche auf der Webseite www.tv-statistik.ch. Das BLV berücksichtigt bei der Erstellung und Veröffentlichung der Statistik das Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere. Gemäss des Übereinkommens wurden auch die Versuchstiere in die entsprechenden Kategorien eingeteilt. Forschende müssen jährlich sämtliche Einsätze von Versuchstieren melden. Werden Tiere mehrfach eingesetzt innerhalb eines Jahres, ist jeder Einsatz in der Statistik zu erfassen.
Auf www.tv-statistik.ch ist die Entwicklung der eingesetzten Tiere im Zeitverlauf von 1983 - 2021 grafisch dargestellt. Zudem werden die Tierarten nach Verwendungszweck, nach Schweregrad der Belastung sowie Anzahl eingesetzte Tiere nach Kantonen dargestellt. Zusätzlich sind in der «Erweiterten Statistik« interaktiv weitere Abfragen für die Jahre 1997 bis 2021 nach Versuchszweck, Schweregrad, Tierarten, Kanton usw. möglich. Es liegen ausserdem Informationen zu den erteilten Bewilligungen und zu den Versuchstierhaltungen vor. Letztere wurden 2014 erstmals publiziert.
Letzte Änderung 05.12.2022