Tiere sind beim Schlachten bestmöglich vor Leiden und Schmerzen zu schützen. In den Jahren 2018 und 2019 liess das BLV rund 10 % der Schlachtbetriebe in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein überprüfen. In der Folge wurden auf verschiedenen Stufen Massnahmen ergriffen, die in erster Linie ein Ziel verfolgten: Alle an der Schlachtung beteiligten Personen mussten ihr Bewusstsein schärfen, um den Tierschutz während des Schlachtens sicherzustellen und die Vorschriften zu erfüllen. Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Massnahmen zusammengefasst.
Filmaufnahmen und Berichte über europäische Schlachtbetriebe zeigten Situationen, in denen die Tierschutzvorschriften während des Schlachtens nicht eingehalten wurden. Sie weckten in den vergangenen Jahren das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten für die Hintergründe zum Prozess der Fleischgewinnung. Noch bevor auch in der Schweiz Missstände in einigen Schlachtbetrieben publik wurden, hatte das BLV zur Einschätzung der Situation eine entsprechende Untersuchung geplant. Dabei wurden in über 60 Betrieben, die Wiederkäuer und Schweine schlachteten, Tierschutzaspekte und die amtliche Fleischkontrolle überprüft. Die Ergebnisse wurden Anfang 2020 publiziert:
Die Ergebnisse zeigten tierschutzrelevante Defizite auf
Die gesetzlichen Tierschutzvorschriften zum Schlachtprozess umfassen sechs Etappen: die Annahme der Schlachttiere, ihre Unterbringung, das Treiben, das Fixieren, das Betäuben und das Entbluten. Die Untersuchung des BLV zeigte, dass die Mehrheit der geprüften Schlachtbetriebe mit den ihnen anvertrauten Tieren in den Bereichen Annahme, Unterbringung, Treiben und Fixieren schonend umgegangen waren. Jedoch wiesen knapp die Hälfte der grossen und die Mehrheit der kleinen Schlachtbetriebe beim Betäuben und Entbluten der Tiere Defizite auf: Die dafür verantwortlichen Personen prüften oft nicht, ob sie erfolgreich betäubt hatten und ob die Entblutung schnell genug erfolgt war.
Mit der Betriebsbewilligung durch den zuständigen kantonale Veterinärdienst ist ein Schlachtbetrieb grundsätzlich dafür verantwortlich, alle gesetzlichen Vorgaben einzuhalten, die mit seiner Tätigkeit verbunden sind. Die Einhaltung der Vorgaben müssen die Betriebe im Rahmen der Selbstkontrolle dokumentieren. Das heisst, die Betriebe sind für ihr Handeln verantwortlich und müssen dieses dokumentieren. Diese Selbstkontrolle ist ein wichtiger Bestandteil, da sie der Weiterentwicklung und Verbesserung dient. Zudem wird sie von den kantonalen Veterinärdiensten überprüft. Die kantonalen Veterinärdienste kontrollieren risikobasiert, mindestens aber einmal im Jahr, ob Schlachtbetriebe die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Die Kontrolle umfasst unter anderem den Umgang mit den Tieren sowie die Betäubung und Entblutung. Daher muss sie während des Schlachtens erfolgen. Die anwesenden amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte sind verpflichtet, die dokumentierte Selbstkontrolle des Betriebes stichprobenweise mit dem tatsächlich ablaufenden Prozess abzugleichen.
Die Untersuchung des BLV zeigte, dass sich vor allem Verantwortliche kleiner Schlachtbetriebe mit der Selbstkontrolle vielfach schwertun. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Als die Betäubung mit Bolzenschuss nicht ausreichend war, erfolgte zwar sofort der notwendige Nachschuss. Jedoch wurde nicht überlegt, warum der erste Schuss mangelhaft war. Der Fehlschuss wurde zwar dokumentiert. Aber die Lösung des Problems wurde nur als «zweiter Schuss» notiert. Im erwähnten Beispiel kommen verschiedene Fehlerquellen in Frage, die direkt vom Tier oder von der betäubenden Person abhängig sind.
Im Folgenden werden die angestrebten Verbesserungen zur Behebung solcher Tierschutzmängel erläutert:
Nachdem die Untersuchung des BLV Lücken bei den betrieblichen und behördlichen Kontrollen gezeigt hatte, prüften und verbesserten die kantonalen Veterinärdienste wo nötig Umfang, Inhalt, Häufigkeit und Dokumentation der Kontrollen. Vom Konzept der Selbstkontrolle wird erwartet, dass mögliche Ursachen für den Fehler gesucht, dokumentiert und nachhaltig behoben werden. Dies wird erneut bekräftigt und wo Mängel vorliegen, werden diese durch die kantonalen Vollzugsstellen untersucht und behoben.
Die Prüfung der Situation in den Schlachtbetrieben zeigte, dass die Aus- und Weiterbildung des Personals von Schlachtbetrieben bezüglich Tierschutz gezielt intensiviert werden sollte. Die Weiterbildung der amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte der Fleischkontrolle wurde insbesondere im Hinblick auf die Tierschutzvorschriften verstärkt. Die Weiterbildung erfolgte sowohl kantonsspezifisch als auch mit Unterstützung des BLV.
Für Fleischfachleute bietet das Ausbildungszentrum für die Schweizer Fleischwirtschaft (ABZ) in Spiez jedes Jahr Kurse zum Thema Tierschutz an. Das BLV als Anerkennungsstelle für privatrechtliche Ausbildungsstätten prüft das Aus- und Weiterbildungsangebot und steht mit der Fleischbranche und dem ABZ Spiez im Dialog.
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse ergänzte das ABZ Spiez seine Branchen-Richtlinie für Fleischfachleute mit Muster-Vorlagen zur Selbstkontrolle. Weiter fügte es zusätzliche Lektionen zur Unterbringung von Schlachttieren über Nacht sowie zum Betäuben und Entbluten ein. Die theoretische Wissensvermittlung findet seit 2020 mit mehr Praxisbezug statt, indem der Kurs teilweise in den Schlachtbetrieb bei laufendem Prozess verlagert wird. Zudem können Kursteilnehmende Videoaufzeichnungen aus ihren Schlachtbetrieben mitbringen, um spezifische Fragen vom Ausbildungszentrum beantworten zu lassen.
Anpassungsbedarf zeigt sich unter anderem im Bereich der Betäubung. Mit dem Ziel, den Tierschutz zu verbessern, sollen einzelne Betäubungsmethoden evaluiert werden und entsprechend optimiert oder verboten werden. Die Anzeichen einer wirksamen Betäubung sollen präzisiert werden, so dass die obligatorische Kontrolle der Tiere auf Bewusstlosigkeit leichter und sicherer durchführbar wird. Zudem sollen für die Einrichtung neuer Betäubungsanlagen Rolle und Verantwortung der Betriebsleitenden gut verständlich definiert werden.
Eine Gruppe von Fachpersonen setzt sich speziell mit der Elektrobetäubung auseinander. Für eine wirksame Betäubung mit Strom müssen einige Parameter exakt stimmen: z. B. die Stromstärke, die Ansatzstelle der Elektroden am Tierkopf, die Dauer des Stromflusses oder die Form der Elektroden.
Alle in der Schweiz eingesetzten Elektrobetäubungsgeräte werden im Ausland hergestellt. Für diese Geräte gibt es kein Prüf- und Bewilligungsverfahren. Schlachtbetriebe müssen sich auf die Angaben der Hersteller und deren Beratung verlassen, was die Funktionsweise und Leistung der Geräte betrifft.
Das BLV hat entschieden, einen der wichtigsten Parameter – den tatsächlichen Stromfluss am Tier – wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Es hat deshalb die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) beauftragt, ein entsprechendes Messgerät zu entwickeln. Damit sollen Elektrobetäubungsgeräte künftig verlässlich auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden können. Dies ist ein entscheidender Faktor für die wirksame Betäubung jedes einzelnen Schlachttieres und somit hoch tierschutzrelevant.
Die in der Einleitung gestellte Forderung, dass alle an der Schlachtung beteiligten Personen ihr Bewusstsein schärfen müssen, soll mit Hilfe eines mehrjährigen Aktionsplanes begleitet werden. Das Ziel ist, so den Tierschutz während des Schlachtens sicherzustellen. Mit diesem Plan stellt das BLV sicher, dass die vorgesehenen Massnahmen auf den Stufen BLV, kantonale Vollzugsbehörden, Schlachtbetriebe und Fleischbranche umgesetzt werden. Nach Durchführung des Aktionsplans werden die Massnahmen auf ihre Nachhaltigkeit überprüft.
Weitere Informationen
Publikationen
Gesetzgebung
- TSchG – Betäubungspflicht
- TSchV – zulässige Betäubungsmethoden, Vorschriften zum Umgang mit Schlachttieren von der Anlieferung bis zum Entbluten, Anforderungen an das Schlachtpersonal
- Verordnung des BLV über den Tierschutz beim Schlachten – Detailvorschriften technischer Art zu verschiedenen Betäubungsmethoden, etc.
Letzte Änderung 01.07.2021