Das Schweizerische Giftinformationszentrum Tox Info Suisse berät in Fällen von akuten möglichen Vergiftungen. Darunter fallen auch Meldungen zu Nahrungsergänzungsmitteln, Schlankheits- und Sportlernahrungen. Um einen Eindruck über diese gemeldeten Fälle zu erhalten, hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV den Auftrag an Tox Info Suisse gegeben, die Anfragen der letzten sechs Jahre auszuwerten.
Bericht: Anfragen an Tox Info Suisse zu Nahrungsergänzungsmitteln, Schlankheits- und Sportlernahrungen, 2014 – 2019
In den letzten Jahren nahmen die diesbezüglichen Anfragen an Tox Info Suisse deutlich zu. In den Jahren 2014 – 2019 gingen rund 1200 Meldungen ein. Etwa zwei Drittel davon betrafen akute unbeabsichtigte Einnahmen bei Kleinkindern, die zu höchstens milden Symptomen führten. Bei der akuten absichtlichen Einnahme durch Erwachsene war Koffein der wichtigste Stoff betreffend Häufigkeit und Schweregrad der Symptome (17 der 22 mittelschweren bis schweren Fälle betrafen Koffein). Er führte in zwei Fällen zu Hospitalisierungen.
Akute Vergiftungen durch Koffein
Koffein wurde dabei oft über Sportler-/Fitnessprodukte aufgenommen. Dabei lagen die Dosierungen deutlich über der von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA als unbedenklich beurteilten oralen Einzeldosis von 200 mg Koffein/Person bzw. 400 mg Koffe-in/Person pro Tag aus allen Koffeinquellen. Die in der Schweiz geltenden Höchstmengen für Koffein in Nahrungsergänzungsmitteln, Sportlernahrungen und Getränken wie Energydrinks nehmen auf die sichere Auf-nahmemenge Bezug und gewährleisten den Gesundheitsschutz. Bei höheren Koffein-Dosierungen, gerade auch in Kombination mit sportlicher Aktivität, ist das Risiko ungewiss bzw. zeigt der vorliegende Bericht von Tox Info Suisse, dass unerwünschte Effekte auftreten können. Die geltenden Höchstmengen sollten nicht überschritten werden. Konsumenten sollten die auf den Produkten angegebene Dosierungsempfehlung einhalten.
Aussagekraft des Berichts
Der Bericht gibt eine Übersicht über die an Tox Info Suisse gemeldeten Fälle der letzten sechs Jahre zu möglichen akuten Vergiftungen, bei denen ein Zusammenhang mit einem Stoff vermutet wurde. Kaum zu Meldungen an Tox Info Suisse führen Beschwerden oder Krankheiten, deren Zusammenhang mit der Aufnahme eines Stoffs nicht erkannt werden, z. B. wegen geringeren Dosierungen über längere Zeit oder länger zurückliegender Aufnahme. Die hier analysierte Anzahl Meldungen kann somit nicht als repräsentativ für die Anzahl der tatsächlichen Fälle in diesem Bereich verstanden werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen von Nahrungsergänzungsmitteln
Gemäss Daten der nationalen Ernährungserhebung MenuCH konsumieren rund 50 % der Schweizerinnen und Schweizer regelmässig Nahrungsergänzungsmittel. Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die durch die konzentrierte Dosis der Inhaltsstoffe, durch die Darreichung als Kapseln, Tabletten oder Pulver und durch die Verpackung ähnlich aufgemacht sind wie Arzneimittel. Teilweise werden sie auch zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität im Grenzbereich zu Arzneimitteln beworben oder von Konsumenten so wahrgenommen.
Nahrungsergänzungsmittel durchlaufen im Gegensatz zu Arzneimitteln kein behördliches Zulassungsverfahren, bei dem u. a. die gesundheitliche Unbedenklichkeit nachzuweisen ist, bevor sie auf den Markt kommen. Eine Ausnahme bilden hier die neuartigen Lebensmittel (Novel Food).
Als Lebensmittel müssen sie sicher sein und dürfen nicht pharmakologisch aktiv sein. Die Aufmachung, Kennzeichnung und Verpackung darf zudem nicht täuschend sein. Für die Sicherheit sind primär die Hersteller und Vertreiber im Rahmen ihrer Selbstkontrolle verantwortlich.
Für Vitamine, Mineralstoffe und einige andere Stoffe gelten gesetzliche Höchstmengen oder sonstige Beschränkungen. Zudem bestehen Verbotslisten für gewisse Pflanzen und pflanzliche Zubereitungen sowie Stoffe. Diese dürfen aufgrund ihrer Risiken nicht verwendet werden (Rechtliche Grundlagen). Die Gesetzeskonformität der Produkte wird vom kantonalen Vollzug stichprobenweise überprüft.
Risiken bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln
Einige Länder verfügen über Nutrivigilance-Systeme, die Meldungen von Konsumenten, Ärzten, Spitälern und Giftkontrollzentren zu unerwünschten Effekten von Nahrungsergänzungsmitteln systematisch erfassen und auswerten. In der Schweiz gibt es kein solches Meldesystem.
In der Fachliteratur, über Nutrivigilance-Systeme und durch behördliche Warnungen sind unerwünschte Wirkungen bis zu ernsten Nieren- oder Leberschädigungen beschrieben, letztere z. B. bei gewissen Grünteeextrakten. Auch können Wechselwirkungen mit gleichzeitig eingenommenen Arzneimitteln auftreten. Dies kann u. a. der langfristigen Einnahme problematischer Stoffe zugeschrieben werden. Effekte sind in diesem Fall oft nicht unmittelbar sichtbar. Dadurch kann ein möglicher Kausalzusammenhang mit dem Konsum eines problematischen Nahrungsergänzungsmittels unbemerkt bleiben.
Die Konsumentinnen und Konsumenten sind sich potenziell problematischer Aspekte möglicherweise zu wenig bewusst. Potentiell problematische Aspekte sind:
- die Überdosierung von Stoffen;
- fälschlicherweise als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnete Arzneimittel;
- der Zusatz nicht deklarierter und nicht erlaubter Zutaten;
- der Zusatz nicht bewilligter Novel Foods; und
- die Anwesenheit von Kontaminanten;
- der Erwerb bei unseriösen Vertreibern; sowie
- schwer rückverfolgbare Vertriebskanäle, z. B. im Internet.
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Letzte Änderung 30.06.2023