Auf Spurensuche: Wie Tiergesundheitsdaten helfen, Tierseuchenausbrüche frühzeitig zu erkennen

Neue oder altbekannte Tierseuchen können auch in der Schweiz jederzeit auftreten oder zurückkehren. Aber wie erkennt man das Unerwartete? Das BLV unterstützte hierzu mehrere Forschungsprojekte. Sie untersuchten die Eignung von routinemässig erhobenen Tiergesundheitsdaten für die Früherkennung von Tierseuchen.

Syndromueberwachung

Obwohl es in der Schweiz eine Vielzahl von Überwachungsprogrammen gibt, decken diese Programme nur spezifische Tierseuchen und Zoonosen ab: ein Bruchteil aller Viren, Bakterien und Parasiten, welche die Gesundheit von Tier und Mensch gefährden könnten. COVID-19 hat eindrücklich gezeigt, wie schnell sich ein neuer Krankheitserreger weltweit ausbreiten kann. Deshalb ist es unerlässlich, auch unerwartete Tierseuchen frühzeitig zu erkennen. Überwachungssysteme, die Proben nur auf spezifische Erreger untersuchen, können das nur bedingt.

Darum geht es

Die im Folgenden beschriebenen Forschungsprojekte haben zum Ziel, routinemässig aufgezeichnete Daten zur Tiergesundheit aufzubereiten und mit weiteren Informationsquellen zu verknüpfen. Damit sollen Tierseuchenausbrüche möglichst zuverlässig, präzise und zeitnah entdeckt werden können.

Computer lesen Pathologieberichte

Für die Überwachung der Tiergesundheit ist die Untersuchung von toten Tieren von grosser Bedeutung. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen stehen aber in individuell formulierten Texten. Darum gibt es unterschiedliche Bezeichnungen für dieselben Befunde. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten der Veterinärmedizin und der Computerlinguistik entwickelten daher gemeinsam eine Anwendung, um diese Daten mithilfe sogenannter Text-Mining-Methoden nutzbar zu machen. Text-Mining-Methoden können einen Text lesen. Sie erkennen, dass Begriffe zusammengehören, auch wenn diese unterschiedlich formuliert sind. So können für uns relevante Befunde zusammengefasst werden, und zwar in Kategorien von Syndromen.

Diese Daten wurden nach dem Text-Mining mit klinischen Daten aus verschiedenen Quellen verglichen. Der Vergleich zeigte, dass zwar nur ca. 1 % aller gestorbenen Rinder pathologisch untersucht wurde. Allerdings kamen diese Fälle aus Problembetrieben: Auf den Betrieben, die Tiere zur Sektion eingeschickt hatten, waren im Mittel zwei Tiere gestorben und fünf erkrankt. Ausserdem konnten dank der Nutzung der Pathologiedaten zusätzliche Fälle von Aborten und Totgeburten entdeckt werden, die in den klinischen Daten nicht erfasst waren.

Pathologische Untersuchungen von toten Tieren erwiesen sich somit als wertvolle Informationsquelle für die Überwachung der Tiergesundheit.

Das Verknüpfen von Daten hilft Tierseuchenausbrüche frühzeitig erkennen

Eine andere Forschungsarbeit widmete sich der Verknüpfung von Tiergesundheitsdaten mit Informationen aus der Tierverkehrsdatenbank. Dabei erarbeiteten und untersuchten die Forschenden verschiedene methodische Ansätze, um Ausbrüche von Tierseuchen bei Rindern frühzeitig zu erkennen.

Glücklicherweise gab es im Untersuchungszeitraum in der Schweiz keine grösseren Tierseuchenausbrüche. Deshalb wurden die Methoden anhand von simulierten Ausbrüchen getestet. Nach weniger als vier Monaten wurden alle simulierten Ausbrüche erkannt. In Zeiten ohne Tierseuchenausbrüche gab es höchstens drei Fehlalarme pro Jahr. Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) war die Tierseuche, die am besten erkannt wurde. Dagegen wurde die Bovine Virusdiarrhoe (BVD) später und mit geringerer Sicherheit erkannt.

Forschung liefert Entscheidungsgrundlagen

Die Forschungsprojekte lieferten wichtige Erkenntnisse über den Nutzen und die Herausforderungen der zeitnahen Analyse von Tiergesundheitsdaten für die Früherkennung von Tierseuchenausbrüchen. Basierend auf diesen Grundlagen prüft das BLV, welche Elemente der erarbeiteten Lösungsansätze in welcher Form und mit welchen Partnern künftig umgesetzt werden sollen.

Weitere Informationen

Im Detail

Anwendung eines Text-Mining-Tools für die Nutzung von Pathologiedaten in der Überwachung und Früherkennung von Tierkrankheiten
Post-mortem-Untersuchungen liefern wertvolle Hinweise zur Todesursache und zum Gesundheitszustand von Tieren. Tierärztinnen und Landwirte nutzen diese Informationen für eine Bestandsdiagnose und mögliche Behandlungen. Da pathologische Daten mehrheitlich als Freitextdokumente vorliegen, ist eine umfangreichere Auswertung schwierig. Das in diesem Projekt entwickelte Hilfsmittel ermöglicht es, diese Daten zu lesen, zu gruppieren und standardisiert auszuwerten. Dadurch können die Daten für die Früherkennung von Tierseuchen nutzbar gemacht werden.

Entwicklung von Text- und Data-mining-Werkzeugen für die Früherkennung von Tierseuchen durch Auswertung und Kombination von pathologischen und klinischen Daten von Rindern
Die Früherkennung von Tierseuchenausbrüchen kann durch die Verknüpfung verschiedener Datenquellen verbessert werden. Neben pathologischen Daten sind klinische Daten, die von Zucht- und Gesundheitsorganisationen erhoben werden, eine wichtige Informationsquelle. Diesen Daten liegt aber eine andere Nomenklatur zugrunde. Das im Vorgängerprojekt entwickelte Hilfsmittel zur Auswertung pathologischer Daten wurde so angepasst, dass auch klinische Daten berücksichtigt werden können und eine gemeinsame Auswertung beider Datenquellen möglich ist.

Bayesianischer Ansatz zur Kombination und Interpretation der Ergebnisse von Ereigniserkennungsalgorithmen mehrerer verschiedener Echtzeitdatenquellen
Es gibt eine Vielzahl an Algorithmen, mit denen Ereignisse wie Tierseuchenausbrüche in Daten erkannt werden können. In dieser Forschungsarbeit wurden bayesianische Methoden genutzt, um mehrere Datensätze zu analysieren und die Ergebnisse verschiedener Algorithmen zu interpretieren. Diese Methoden erlauben zudem, Wissen über die Tierseuchen von Expertinnen und Experten sowie aus der Literatur zu integrieren.

Letzte Änderung 14.06.2022

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